Dienstag, 2. Juli 2019

Olaf Koob über das zweite Jahrsiebt

"Nehmen wir an, das erste Jahrsiebt eines Kindes wäre unproblematisch verlaufen. Die zweiten Zähne als Zeichen des rein organischen Abschlusses bilden sich langsam heran, intellektuelle Fähigkeiten werden frei, die sich betätigen möchten, aber auch einer gewissen Führung durch Autorität bedürfen. Das Kind muß sich seelisch-leiblich nach außen ausdehnen und darf sich nicht zu früh auf sich selbst fixieren. Weltinteresse macht gesund, Selbstinteresse macht krank. Der drogensüchtige Fixer später ist immer auf sich selbst fixiert - hier im zweiten Jahrsiebt werden die ersten Keime für diese krankhaften Erscheinungen gelegt. 
Wodurch? Durch ein zu frühes Ansprechen und den Gebrauch von noch schlummernden Seelenfähigkeiten, z.B. in der eigenen Urteilsbildung und in Entscheidungen. Erst nach der Pubertät ist dafür die Reife vorhanden. Die selbstverständliche Autorität muß die Quelle der Wahrheit sein, erst später kann man sie kritisch hinterfragen. 
Durch ein zu frühes Auf-sich-geworfen-Sein entstehen Vorbehalte, Vorurteile und zu starke Selbstliebe, mit denen die Jugendlichen später wie mit einem 'Vorstellungsgespenst' zu kämpfen haben. Kommt dann noch die verfrühte Sexualität dazu, wird auch die leibliche Selbstfixierung zu früh erreicht.
Die seelischen Fähigkeiten, die Verbindung mit dem Fremden, anderen, der 'Liebeleib' (Astralleib) wird schon in frühester Jugend korrumpiert: Warum stehen Jugendliche nicht mehr auf, wenn ein älterer Mensch in die Straßenbahn einsteigt, warum schlagen sie ältere menschen zusammen und zeigen keine Reue vor Gericht? Wundern sich die Lehrer da noch, wenn die Schüler zu die frühe Kritik nun ihrerseits auf die Lehrer anwenden und gegen alles Vorurteile entwickeln? Ich glaube man kann jetzt verstehen, warum Rudolf Steiner die zu frühe Intellektualisierung als eine 'Erdenplage' bezeichnete. Denn die geringe Hingabefähigkeit macht griesgrämig und hypochondrisch (...)"

Olaf Koob, Drogensprechstunde (1990), Kapitel Das zweite Jahrsiebt