Montag, 25. Juni 2012

Vom Ende der Inkarnationen

aus: "Welt, Erde und Mensch, deren Wesen und Entwickelung sowie ihre Spiegelung in dem Zusammenhang zwischen ägyptischem Mythos und gegenwärtiger Kultur" (1908), GA 105, 3. Vortrag
Gegenwärtig hat der Mensch ein Ich, einen Astralleib, einen Ätherleib und einen physischen Leib. Wie geschieht nun die Weiterentwickelung? Dadurch, daß der Mensch an sich selbst mehr und mehr arbeitet. Heute ist das Ich des Menschen in vieler Beziehung noch ohnmächtig gegen­über den anderen Gliedern seiner Wesenheit. Denken Sie nur daran, wie der heutige Mensch vielfach nicht imstande ist, seine Leidenschaften zu beherrschen und von ihnen, also von seinem astralischen Leib, be­herrscht wird. Es ist ein großer Unterschied unter den Menschen in dieser Beziehung. Der eine ist ganz hingegeben seinen astralischen Kräf­ten, seinen Leidenschaften. Betrachten Sie den Wilden, der seine Mit­menschen frißt, und vergleichen Sie ihn mit dem heutigen europäischen Kulturmenschen; und dann betrachten Sie einen hohen Idealen nach­strebenden Menschen, wie Schiller oder Franz von Assisi. Sie sehen, es ist eine Fortentwickelung, die darin besteht, daß die Menschen immer mehr und mehr lernen, ihren Astralleib vom Ich aus zu beherrschen.

Und es wird eine Zeit kommen, wo das Ich den Astralleib ganz beherrscht, ihn durchglüht und durchzieht. Dann wird der Mensch ein höheres Glied ausgebildet haben, das wir Manas oder Geistselbst nen­nen. Es ist nichts anderes als der durch das Ich umgewandelte Astral­leib. Wenn wir den heutigen Menschen betrachten, so müssen wir sa­gen, sein Astralleib besteht eigentlich aus zwei Teilen, aus dem, was er schon umgewandelt hat, was unter der Herrschaft des Ichs steht, und dem, was sein Ich noch nicht beherrschen kann. Dieser Teil ist noch von anderen, niederen Kräften und Trieben erfüllt, und wenn das Ich diese hinaustreibt, fügt es dem astralischen Leibe allerlei Kräfte hinzu. Damit aber der Astralleib überhaupt erhalten bleibe, damit er nicht durch das Niedere zerstört werde, muß er immer noch durchdrungen, durchsetzt sein von höheren Wesenheiten, die ihn heute so beherrschen können, wie einst der Mensch es tun wird, wenn er am Ziele seiner Entwickelung angelangt sein wird. Diese Wesen, die die Aufgabe ha­ben, den vom Menschen unbeherrschten Teil seines Astralleibes zu be­herrschen, stehen eine Stufe höher als der Mensch, es sind die Engel oder Geister des Zwielichts. In der Tat wacht sozusagen über jedem Men­schen ein solch höherer Geist, der über seinen Astralleib Macht hat, und es ist nicht bloß eine kindliche Vorstellung, sondern eine tiefe Weisheit, wenn man von Schutzengeln spricht. Sie haben eine große Aufgabe, diese Schutzengel.

Betrachten wir den Gang eines Menschenlebens über die Erde in seiner Gesamtheit. Wir wissen, es geht durch viele Verkörperungen hin­durch. Einmal, in einem gewissen Punkte der Erdentwickelung, beginnt der Mensch als Seelen-Ich in seiner ersten Inkarnation auf der Erde zu leben. Dann stirbt er, es kommt eine Zwischenzeit, dann eine neue Verkörperung, und so geht es fort von Inkarnation zu Inkarna­tion, und das wird erst in einem fernen Punkte der menschlichen Entwicklung sein Ende haben. Dann wird der Mensch durch alle Inkar­nationen hindurchgegangen sein, und dann wird er auch die Fähigkeit erlangt haben, seinen astralischen Leib vollkommen zu beherrschen. Das kann er nicht früher, als bis er durch alle Inkarnationen hindurchge­gangen ist, wenigstens nicht in normaler Entwicklung. Da verfolgt nun ein solcher höherer Geist das Innerste der Menschennatur, was sich von Inkarnation zu Inkarnation zieht, und leitet den Menschen von In­karnation zu Inkarnation, so daß er seine Erdenmission wirklich erfüllen kann. Es ist in der Tat so, wie wenn der Mensch seit dem Beginn seiner Erdenwanderung hinaufsehen könnte nach einem erhabenen Geist, der sein Vorbild ist, der ganz seinen astralischen Leib beherr­schen kann, der ihm sagt: So mußt du sein, wenn du einst aus dieser Erdentwickelung heraustrittst. - Das ist die Aufgabe der sogenannten Geister des Engelreiches, die Inkarnationen der Menschen zu leiten.

Und ob man sagt, der Mensch blickt auf zu seinem höheren Selbst, dem er immer ähnlicher werden soll, oder ob man sagt, er schaue zu seinem Engel als zu seinem großen Vorbilde hinauf, das ist im Grunde genom­men geistig ganz dasselbe.

Und dann, wenn der Mensch weiterarbeitet, wird er den Ätherleib umgestalten zu Buddhi oder Lebensgeist; bewußt wird er es einst tun, aber auch heute schon arbeitet er unbewußt daran. Um so mehr müssen heute höhere Geisteswelten mitwirken in allen Menschen-Ätherleibern, und die Feuergeister sind es, die diese Arbeit verrichten. Nun sind aber die Ätherleiber der Menschheit nicht so individuell verschieden wie die Astralleiber. Jeder Mensch hat seine besonderen Tugenden oder Untugenden, aber in bezug auf das, was mit dem Ätherleib zusammen­hängt, herrscht eine gewisse Gleichheit; wir sehen das an den Eigen­schaften, die mit der Rasse, mit dem Volkstum zu tun haben. Und deshalb sehen wir auch, daß in bezug auf seinen Ätherleib nicht jeder Mensch seinen Erzengel hat, sondern es sind Volksstämme, Rassen, die von höheren und niederen Feuergeistern geleitet werden. Die Völker und Rassen unserer Erde werden in der Tat gemeinschaftlich gelenkt von jenen Geistern, die man die Erzengel oder Feuergeister nennt. Da erweitert sich Ihr Blick auf etwas, was für viele Menschen recht ab­strakt ist, was aber für den, der in geistige Welten hineinsieht, etwas sehr Konkretes darstellt. Wenn jemand heute vom Volksgeist oder von der Volksseele spricht, so hält er das für irgendeine Abstraktion. Für den okkulten Beobachter ist das nicht so. Da ist das ganze Volk wie gemein­sam hineingebettet in eine geistige Substanz, und diese geistige Sub­stanz ist der Leib eines Feuergeistes. Und wie unsere Erde gelenkt und geleitet wird von alten grauen Zeiten her bis auf uns, von Volk zu Volk, von Rasse zu Rasse, da sind es die sozusagen über die Entwicklung hinschreitenden Erzengel, die in den Volksseelen ihren Leib haben und die den Gang der Erdentwickelung also leiten.

Und dann gibt es noch etwas, was von solchen Gemeinschaften wie Volk und Rasse unabhängig ist. Betrachten wir unsere heutige Zeit, wie vieles unabhängig von solchen Gemeinschaften ist; und blicken wir zurück zum Beispiel auf die Zeiten des 12. Jahrhunderts. Da sehen wir, wie gewisse geistige Angelegenheiten sich bei allen Völkern Europas in gleicher Weise abspielen, wir sehen etwas, was übergreifend ist über die Volksgeister - man hat den Namen Zeitgeist dafür geprägt. Aber die­ser Zeitgeist ist in Wirklichkeit vorhanden, und er ist der Leib für noch höhere Wesenheiten, er ist der Leib von den Geistern der Persönlich­keit, von den Urbeginnen, den Archai


Und jetzt sehen wir, wie unsere Erde gleichsam eingebettet ist in eine geistige Atmosphäre. Sie läßt aus mineralischen Gebilden heraus die Pflanze hervorsprießen, Tiere und Menschen wandeln auf ihr; sie selbst aber ist wie eingehüllt von erhabenen geistigen Wesenheiten: von Geistern, die den einzelnen Menschen lenken; von Geistern, die die Leiter und Führer der Volks- und Rassengemeinschaften sind, und von denen, die den Zeitgeist hinüberlenken von einer Epoche zur anderen. So haben wir heute einmal versucht, uns einen Überblick zu ver­schaffen über das, was unsere Erde, ja was unsere Welt in geistiger Beziehung ist und wie der Mensch mit alldem zusammenhängt. Und damit haben wir eine Grundlage geschaffen, um wirklich mit Nutzen zu betrachten, was wir über das Verhältnis von Welt, Erde und Mensch zu sagen haben werden.