Samstag, 14. Mai 2011

Rudolf Steiner: Wie finde ich den Christus?



In Rudolf Steiners Vortrag "Was tut der Engel in unserem Astralleib? Wie finde ich den Christus?" (Zürich, 1918) werden interessante spirituelle Hintergründe des Christus-Mysteriums dargestellt, bspw. der Zusammenhang zwischen Bewusstseins-Seele und dem ahrimanischen Impuls des 666-Jahreszyklus.

1. Der Christus-Impuls

Um zu zeigen, wie wir den Christus finden können, erläutert Rudolf Steiner, was das letzte Abendmahl Christi aus geisteswissenschaftlicher Sicht bedeutet. Das Abendmahl kann man in seiner geistigen Tiefe verstehen, wenn die Worte des Christus "dies ist mein Fleisch" und "dies ist mein Blut" in dem Sinn wörtlich genommen werden, dass sich durch die Kreuzigung der Sohn Gottes, also Gottes Wort, mit der Erde verbunden hat und die ganze Erde zu seinem Leib geworden ist. Mit dem Abendmahl kündigt sich an, wie die lebendigen Ätherkräfte des Christus sich von seinem physischen Leib zu lösen beginnen und sich verbinden mit den irdischen Ätherkräften, also mit den lebendig wirkenden Weltgedanken, welche die Lebensformen der Natur hervorbringen. Indem der Christus Brot und Wein segnet und teilt, zeigt er, dass seine Lebenskräfte in Brot und Wein als Repräsentanten der äußeren Natur übergehen. Das Abendmahl ist die Anleitung für die geistige Vereinigung und seine Allgegenwart: "Ich bin bei euch alle Tage". Durch meditative Versenkung können wir uns mit Christus verbinden. Die Auferstehung ist ein Eintauchen der Ätherkräfte des menschlichen Gehirns in die umgebende Ätherwelt. Darauf hat Rudolf Steiner hingewiesen mit den Worten: "Der Idee in der Wirklichkeit gewahrzuwerden ist die wahre Kommunion des Menschen."

2. Unbegreifbarkeit der Kreuzigung Christi

Die Suche nach Christus führt direkt hin zum Mysterium von Golgatha. Wenn Sie einen Geschichtsforscher fragen, ob man die Kreuzigung Christi historisch beweisen kann, wird dieser es anzweifeln. Es lässt sich nicht äußerlich beweisen. Dies hat einen guten Grund: Die Kreuzigung soll sich aufgrund göttlicher Weisheit gar nicht äußerlich beweisen lassen, weil das Mysterium von Golgatha nur auf übersinnliche Weise erschaubar sein soll. Denn es ist das allerwichtigste Ereignis, das sich im Erdengeschehen ereignet hat. So, wie man die Perlen nicht vor die Säue wirft, wird der Zweifler und Kritiker, der den Beweis verlangt, ihn eben niemals äußerlich finden. Man muß schon in sich gehen, um das Übersinnliche zu spüren. Durch Christi Tod sollen die Menschen vor die Entscheidung gestellt werden, sich einzugestehen: Ich muß im Übersinnlichen suchen, wenn ich das Golgatha-Mysterium begreifen will. Auf die Art soll die Menschenseele den Weg ins Übersinnliche, ins Geistige finden.

3. Warum opferte sich Christus?

Nehmen sie folgende Frage: Was wäre eigentlich ohne die Kreuzigung passiert ? Erstens hätte der Mensch den Anschluß an die übersinnliche Welt verloren, weil die Todeskräfte des menschlichen Körpers auch die Seele zerstört hätten. Zweitens hätte sich im 7. Jhd. jene ahrimanische Weltanschauung, die wir heute als den Islam kennen, in anderer, viel gefährlicherer Form über die ganze Erde ausgebreitet. Der Grund ist, daß im 6. und 7. Jhd. die besten griechischen Philosophen der aristotelisch-platonischen Tradition von Kaiser Justinian aus Griechenland vertrieben wurden und sich in Persien an der Akademie von Gondishapur versammelten. Im griechisch-römischen Zeitalter von 700 v. Chr. bis 1400 n. Chr. eignete sich der Mensch die Verstandesseele an, seine Gedanken- und Verstandeskräfte wuchsen in eine einzigartige Dimension. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung der Verstandesseele lehrten also die hervorragendsten griechischen Weisen in Gondishapur. Sie hatten aber den Christus-Impuls nicht aufgenommen, nichts von Christi Botschaft in ihrer Seele getragen. Durch luziferisch-ahrimanische Eingebung sind sie zu derart fortschrittlichen Resultaten gekommen, wie es der Weltenplan erst für das Jahr 2500 vorsieht: Sie wollten der Menschheit die Bewußtseinsseele bringen, und damit all die Fortschritte und Errungenschaften, die erst für das Jahr 2500 vorgesehen sind, dann nämlich, wenn die Menschheit es allmählich zur voll entwickelten Bewußtseinsseele gebracht hätte. Das ist es, wovon die Offenbarung des Johannes für das Jahr 666 spricht. Die Menschheit könnte damals nie mit den Fähigkeiten der Bewußtseinsseele umgehen. Teuflische Mächte wollten somit Menschheit abschneiden von ihrer Entwicklung, denn sie hätten den Menschen dadurch eine Natur eingepflanzt, die es unmöglich gemacht hätte, sich über die Bewußtseinseele hinaus zum Geistselbst zu entwickeln. Die Sache hat sich anders ergeben: Die Welt hat durch das Mysterium von Golgatha eine andere Gestaltung angenommen. Es blieben nur Rudimente dieser unermesslichen Gelehrsamkeit übrig, und daraus entstand der Islam.

Die Menschheit war also durch das Mysterium von Golgatha abgebracht worden von dieser, ihr verderblichen, Richtung. Allein die Unbegreifbarkeit der Kreuzigung verstärkte deren Wirkung; der Mensch wurde so an die übersinnliche Welt herangeführt. Und wenn im Moment unseres Todes unsere Gedankenkräfte eine völlig neue Stärke erhalten, begegnen wir - jetzt als Bewohner der geistigen Welt - der lebendigen Christus-Kraft, der höchsten Macht im Universum. Denn auch nach dem Tod entwickelt sich die Menschenseele weiter. Sie wächst in ihren Verständniskräften, sie lernt immer mehr und mehr verstehen. Rudolf Steiner teilte mit:

Rudolf Steiner: "Die Zeitgenossen des Jesus Christus, die sich durch ihre Liebe zu Christus vorbereitet hatten auf ein Leben nach dem Tod, diese Menschen begriffen erst im 3. Jahrhundert die wahre Bedeutung des Mysteriums von Golgatha. Also diejenigen, die mit dem Christus als seine Jünger und Apostel zugleich gelebt haben, die starben dann, lebten weiter in der geistigen Welt, und dort wuchsen ihre Kräfte. Dieselben waren erst nach mehr als 200 Jahren so weit, daß sie verstanden, was sie hier auf Erden erlebt hatten. Und dann inspirierten sie von der geistigen Welt aus die sogenannten Kirchenväter, welche dann im 3. Jahrhundert die Evangelien schrieben".

Die Situation im 3. Jh. war durchaus kompliziert: Die menschliche Natur war so, daß sie die Auferstehung Christi leugnete, weil ihr zum Verständnis die Erkenntniskräfte fehlten und die Seelen im Glauben zu schwach waren. Der Mensch war damals noch nicht zur Vereinigung mit Christus fähig. So kam es dazu, daß die Toten auf die Gläubigen durch Inspirationen einwirkten, damit der Sinn der Menschen auf das Mysterium von Golgatha gelenkt wird. Zum Heil der Menschheit wurde verhindert, daß sich die teuflische Weisheit der Akademie von Gondishapur verbreiten konnte.

4. Der "Stachel im Fleisch"

Dennoch ging der arabistische Impuls des Jahres 666 nicht spurlos an der Menschheit vorüber. In die Körper der Menschen gelangte eine Degeneration, die bis heute andauert: Das Menschenblut der zivilisierten Menschheit ist seitdem infiziert von einer Krankheit: nämlich die Tendenz des Menschen, den Vatergott zu leugnen, also das Göttliche generell abzulehnen. Es wirkt sich aus wie eine körperliche Krankheit, wenn der Mensch seinen eigenen Körper nicht von den Gotteskräften der Natur durchströmt fühlt. Ein physischer Defekt, den kein Arzt kurieren kann, sondern nur die Geisteserkenntnis. Diese Krankheit wurde damals dem Menschen eingeimpft, und wir werden heute noch damit geboren. Sie führt zum Atheismus, wenn sie sich auslebt. Verstehen Sie mich recht: die zivilisierte Menschheit hat heute die Anlage zum Atheismus angeboren. Der heilige Paulus sprach prophetisch vom "Stachel im Leib". Dieser Atheismus wird heute immer bedeutungsvoller, denn er macht den Menschen materialistisch, indem die Seele sich heute stärker an den Leib bindet, als es früher der Fall war. Stärker, als es eigentlich in der Natur des Menschen liegt. Als Folge wendet sich die Seele vom Geist ab, und nimmt größeren Anteil am Sterben des Körpers, auch an seiner Geburt und an der Vererbung. Es war also von teuflischen Mächten beabsichtigt, die geistige Entwicklung der Menschenseelen ins Physische abzuzweigen. Auch der Zeitpunkt von Leben und Tod des Jesus Christus war mit göttlicher Weisheit gewählt: Die Menschenseele hatte durch die Verstandesselle im 7. Jh. die stärkste Verbindung an den Körper. Um entgegenzuwirken, hat Christus die Menschenseele in der Kommunion stärker an den Geist gebunden, als ihr eigentlich vorbestimmt war.

5. Wie finden wir Christus?

In uns Menschen ringen also seit dem 7. Jh. zwei Kräfte miteinander: Die Christus-Kraft befreit uns vom Tod und führt uns innerlich zum Geist, die widrigen Kräfte machen uns seelisch dem Tode ähnlich und erzeugen Atheismus und Materialismus. Der Geist Christi ist uns ein Arzt gegen die Erkrankungskraft in unserem Körper, die zur Gottesleugnung hintendiert.

Heute sind wir in einer ganz anderen Lage, als wir es in früheren Inkarnationen waren. Wenn wir heute leben und aus der übersinnlichen Welt ins sinnliche Dasein geboren werden, dann haben wir nun wiederum Jahrhunderte vorher in der geistigen Welt einen Abglanz der Auferstehung Christi erlebt. Wir alle können diesen Abglanz wahrnehmen. Er führt uns zur Antwort auf die Frage: Wie finde ich den Christus? Dazu ist folgendes notwendig. Man geht so vor, daß man erstens sagt: Ich will so weit Selbsterkenntnis anstreben, als es mir ganz persönlich möglich ist. Und die aufrichtige Suche nach dem Christus wird folgendes ergeben: Ich kann Christus nicht verstandesmäßig erfassen, nicht begreifen. Wenn Sie sich mit diesem Gefühl der Ohnmacht durchdringen, merken Sie: Dieses Ohnmachtsgefühl ist gesund, es ist nichts weiter als das korrekte Empfinden der Krankheit der Gottesleugnung, also das Spüren des paulinischen Stachels in unserem Körper. Indem man also die Ohnmacht des Nicht-Begreifenkönnens empfindet, fühlt man, daß unsere Seele eigentlich verurteilt wäre, mit dem Körper zu sterben, weil dieser krank ist. Um diesen innerlichen Seelentod zu überwinden, müssen wir kräftig genug diese Ohnmacht spüren, dann schlägt sie ins Gegenteil um. Denn erst wenn wir tiefste Ohnmacht spüren, werden wir uns der heilenden Kraft des Christus bewußt.

Wir finden Christus, indem wir uns an das halten, was uns die Kraft des eigenen Geistes erlaubt, nämlich den innerlichen Seelentod durch den Geist zu überwinden. Wir haben die Möglichkeit, unsere Seele wiederzufinden und an den Geist anzuknüpfen. Wir erleben die Nichtigkeit des Daseins auf der einen Seite und die Verherrlichung des Daseins aus uns selber, wenn wir das Ohnmachtsgefühl überwinden. Indem wir den Heiland spüren, fühlen wir, daß wir etwas in unserer Seele tragen, das aus dem Tode jederzeit auferstehen kann. Wir fühlen es in unserem eigenen inneren Erleben.

Wenn wir diese zwei Erlebnisse suchen - die Ohnmacht gegenüber des Seelentodes und die Auferstehung unserer Seele durch den Geist, finden wir den Christus in unserer eigenen Seele. Der Mensch muß die zwei Pole fühlen: die Ohnmacht durch sein Leibliches, die Auferstehung durch sein Geistiges. Das innere Erlebnis, das aus diesen zwei Teilen besteht, das ist es, was das Mysterium von Golgatha uns wirklich näherbringt. Dann aber, wenn wir Ohnmacht und Wiederherstellung aus der Ohnmacht empfinden können, tritt für uns Menschen der Glücksfall ein, daß wir eine wirkliche Beziehung zu dem Christus Jesus haben. Man braucht keine übersinnliche Wahrnehmung, um dies zu erreichen. Unbedingt erforderlich ist aber der Wille zur Selbstbesinnung, sowie der Wille zur Bekämpfung des Hochmuts. Jener Hochmut, der heute so allgegenwärtig ist, ist für jede Art von Erkenntnis hinderlich, denn er macht die Menschen blind und ohnmächtig durch ihre eigene Kraft. Das Christus-Erlebnis besteht nicht aus dem bloßen Erlebnis des Göttlichen in unserer Seele, sondern aus zwei Erlebnissen: zuerst der Tod der Seele durch den Leib, dann die Wiederauferstehung der Seele durch den Geist. Wer dies verinnerlicht, der befindet sich auf einem übersinnlichen Weg zum Mysterium von Golgatha; er selbst wird die Kräfte finden, welche gewisse übersinnliche Kräfte anregen und die ihn hinführen zum Mysterium von Golgatha.

Literatur: "Was tut der Engel in unserem Astralleib? Wie finde ich den Christus?", Zürich, 9. und 16. Oktober 1918

3 Kommentare:

Stefan Wehmeier hat gesagt…

"Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer."

Gustave Le Bon (Psychologie der Massen)

Unverzichtbares Qualitätsmerkmal für die ganze Wahrheit in einer a priori verlogenen Welt ist, dass sie nicht erfahren werden will. Die größte Angst ist die vor der Erkenntnis, bisher in einer Scheinwelt (Cargo-Kult) gelebt zu haben. Das gilt insbesondere für "Planer, Lenker und Leiter", die ihre planwirtschaftlichen Wunsch- oder Wahnvorstellungen an ein ebenso naives Publikum verkaufen müssen und sich darum noch nie auf wissenschaftlicher Grundlage mit der Zukunft beschäftigt haben:

"Die Zukunft vorherzusagen, ist unmöglich, und alle derartigen Versuche wirken - wenn sie ins Detail gehen - schon wenige Jahre später lächerlich. Dieses Buch hat ein realistischeres, zugleich aber auch anspruchsvolleres Ziel. Es versucht nicht, die Zukunft zu beschreiben, sondern die Grenzen abzustecken, innerhalb derer mögliche Zukunftsentwicklungen liegen müssen."

Arthur C. Clarke (Profile der Zukunft)

Kein "berufsmäßiger Wichtigtuer" hat aus dem Standardwerk der Futuristik etwas gelernt. Die ganze Wahrheit bleibt strikt denen vorbehalten, die nach ihr suchen, ohne sich damit "wichtig" machen zu wollen, denn vor der Zukunft liegt eine Grenze, welche vorgegeben wird von der Zinsumverteilung, die sich im globalen Maßstab zuletzt durch den 2. Weltkrieg entladen hat. Der 3. Weltkrieg wäre in den 1980er Jahren fällig gewesen und wurde nur durch die atomare Abschreckung bis in die Gegenwart verhindert. Auf der anderen Seite ist durch das Ausbleiben dieser überfälligen Sachkapitalzerstörung die "Zinsfeder" heute bis zum Zerreißen gespannt, sodass genau drei mögliche Szenarien unmittelbar bevorstehen:

Das Ende mit Schrecken (finaler Atomkrieg)
Der Schrecken ohne Ende (globale Liquiditätsfalle)
Die Natürliche Wirtschaftsordnung (echte Soziale Marktwirtschaft)

"Genau drei Möglichkeiten" heißt: eine vierte gibt es nicht. Über die erste Möglichkeit gibt es nichts zu sagen, die zweite ist das Lieblingsthema aller Crash-Phantasten und die dritte ist wahrscheinlich. Der Crash-Phantast, der "zur Sicherheit" noch ein paar Goldklötzchen bunkert, weiß nicht, was es bedeutet, wenn in einer globalisierten Zinsgeld-Ökonomie mit über 6.500.000.000 Menschen der Geldkreislauf - und damit die Arbeitsteilung - mitgekoppelt zusammenbricht. Die Heilige Schrift bezeichnet dieses Ereignis als Armageddon.

Für die dritte Möglichkeit muss ein elementarer Erkenntnisprozesses durchlaufen werden, dessen am Ende über die Maßen bewusstseinserweiternde, aber anfangs ebenso Angst einflößende Wirkung vorab erahnen kann, wer die phantastischen Bilder kennt, mit denen Stanley Kubrick im Schlusskapitel von "2001" die Auferstehung des Kulturmenschen dargestellt hat - und bitte bedenken Sie das Vorwort von Arthur C. Clarke:

"...this is only a work of fiction. The truth, as always, will be far stranger."

Herzlich Willkommen im 21. Jahrhundert:

http://www.deweles.de/willkommen.html

J. Althaus und C. Althaus hat gesagt…

Danke für das Zitieren dieser wunderbaren Stelle. Das sind die zentrale und wahrhaftige Worte für das Christuserlebnis, die wirklich das Herz berühren. J.A.

Eljardinero hat gesagt…

http://www.rulof.de/buch/01_ein_blick_ins_jenseits/index.html