Sonntag, 29. Juli 2012

Das Lesen der Akasha-Chronik lernen

Rudolf Steiner: Geschichtliche Notwendigkeit und Freiheit (GA 179)

Textauszug aus dem 7. Vortrag über das Lesen in der Akasha-Chronik

" Dagegen kann man eine andere Methode anwenden, die in ganz aus­gezeichneter Weise, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, die Ein-schreibungen der Akasha-Chronik durchsichtig macht. Und sieht man einmal durch die stehengebliebenen Erinnerungen, dann sieht man sicher hinein in die geistige Welt, mit der man verbunden war zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Aber dazu muß man nicht nur das­jenige, was als erinnerungsgemäß stehen bleibt aus dem eigenen Leben, benützen - das wird immer kompakter und kompakter, da sieht man dann erst recht nicht durch. Es muß das durchsichtig werden. Und durchsichtig wäre es, wenn man immer stärker und stärker den Ver­such macht, nicht so sehr an das sich zu erinnern, was man von seinem Gesichtspunkte aus erlebt hat, sondern an das sich immer mehr zu er­innern, was von außen an einen herangetreten ist. Statt an das, was man gelernt hat, erinnert man sich an den Lehrer, an die Art, wie der Lehrer gesprochen, wie der Lehrer gewirkt hat, was der Lehrer mit einem gemacht hat. Man erinnert sich daran, wie das Buch entstanden ist, aus dem man dies oder jenes gelernt hat. Man erinnert sich vorzugs­weise an dasjenige, was von der Außenwelt herein an einem gearbeitet hat. Ein sehr schöner, wunderbarer Anfang, ja eine Anleitung zu solcher Erinnerung ist Goethes Schrift «Dichtung und Wahrheit», wo er schil­dert, wie er, Goethe, aus der Zeit heraus geformt wird; wie die ver­schiedenen Kräfte an ihm arbeiten. Daß Goethe so etwas gemacht hat in seinem Leben, daß er in einer solchen Weise eine Art Rückschau ge­halten hat, nicht von dem Gesichtspunkte der eigenen Erlebnisse, son­dern von dem Gesichtspunkte der andern und der Zeitereignisse, die an ihm gearbeitet haben, dem verdankt er, daß er solche tiefen Einblicke hat tun können in die geistige Welt, wie er getan hat. Das aber ist auch zu gleicher Zeit der Weg, um in weiterem Umfange mit der Zeit in Berührung zu kommen, die zwischen dem letzten Tode und dieser un­serer Geburt verflossen ist.

Also Sie sehen, von einem andern Gesichtspunkt aus weise ich Sie heute auf dasselbe hin, worauf ich Sie schon hingewiesen habe: Erwei­terung der Interessen über das Persönliche hinaus, gerade Hinlenkung der Interessen und der Aufmerksamkeit auf dasjenige, was nicht wir sind, sondern was uns geformt hat, woraus wir entstanden sind. Ein Ideal ist es, hinzuschauen auf die Zeit und auf längere Vorzeit vor uns und all die Kräfte aufzusuchen, die diesen Kerl, der man geworden ist, aus sich heraus geformt haben. Das allerdings bietet wenig Schwierigkeiten, wenn man es so schil­dert, aber es ist keine ganz leichte Aufgabe. Es ist auch eine Aufgabe, die, weil sie starke Selbstlosigkeit erfordert, großen Erfolg hat. Gerade diese Methode erweckt die Kräfte, mit seinem Ich in dieselbe Sphäre hineinzukommen, die die Toten mit den Lebendigen gemeinschaftlich haben. Weniger sich kennenzulernen, mehr seine Zeit kennenzulernen, das wird die Aufgabe eines öffentlichen Unterrichts in einer gar nicht zu fernen Zukunft sein, aber seine Zeit im Konkreten kennenzulernen, nicht so kennenzulernen, wie es jetzt in den Geschichtsbüchern steht; so, wie diese Zeit selbstverständlich sich entwickelt aus geistigen Im­pulsen heraus."

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