Freitag, 3. August 2012

Der Schlaf als Quelle der Heilung

Anthroposophie als Kosmosophie II, GA 208

aus: 21. Vortrag, Dornach, 12. November 1921

Der Mensch stellt tatsächlich jede Nacht, indem er schläft, an die geistig-seelische Welt eine ganz bestimmte Anfrage. Er stellt sie natürlich nicht bewußt, aber er stellt sie mit dem Teil seines Wesens, der dann heraustritt aus seinem physischen und aus seinem Ätherleib. Er stellt die Anfrage an die geistige Welt: Wie nimmt sich vor den Wesen der geistigen Welt meine moralische Seelen-Verfassung aus?

Und es wird ihm die Antwort gegeben. Sie wird ihm dadurch gegeben, daß er, je nachdem wie seine moralische Seelengestaltung ist, die Gestaltung und die Tingierung bekommt. Jeden Morgen, wenn der Mensch aufwacht, tritt er in die physische und ätherische Körperlichkeit hinein mit einer Antwort aus der geistig-seelischen Welt. Jedes Einschlafen ist eine Fragestellung, eine unbewußte Fragestellung an die geistige Welt, jedes Aufwachen ist ein unbewußtes Antwortgeben aus der geistigen Welt. Wir stehen fortwährend gewissermaßen mit unserem Unterbewußtsein mit der geistigen Welt in einer Korrespondenz, indem wir aus dieser geistigen Welt heraus uns die Antworten darüber holen, wie wir innerlich als Mensch eigentlich sind. Sie tragen das, was die geistige Welt an Ihnen gestaltet, herein in Ihr physisches und Ihr ätherisches Dasein. Damit tragen Sie die Stimme des Gewissens herein. Im wachen Leben verwandelt sich das, was man als Antwort bekommt in Gestaltung und Tingierung, in die Stimme des Gewissens. Überhaupt alles, was unsere innerliche moralische Stimmung ist, müssen wir aus solchen Erkenntnissen heraus auf den Schlafzustand beziehen.

Man denke nur daran, wie eine Maxime des Volksbewußtseins die ist, daß, wenn man durch irgendeinen Menschen beleidigt ist, man die Empfindung, die man dadurch hat, nicht durch den Schlaf tragen soll, sondern sie womöglich vor dem Schlaf abmachen soll; daß man also den Zorn nicht durch den Schlaf tragen soll, sondern versuchen soll, ihn vor dem Schlafe zu beruhigen.

Wenn Sie wissen, daß das Einschlafen ein Fragestellen an die geistige Welt und das Aufwachen eine Antwort auf diese Frage ist, dann werden Sie sich sagen können: Sie bekommen eine andere Antwort und tragen eine andere Antwort des Morgens aus der geistigen Welt in Ihren physischen Leib herein, wenn Sie einen Zorn am Abend gemäßigt oder eine Beleidigung abgedämpft haben in Ihrem Empfinden, als wenn Sie diese Beleidigung in den Schlaf hineingetragen haben und in der Stimmung dieser Beleidigung die Frage an die geistige Welt stellen, oder wenn Sie zornig hineingehen in die geistige Welt und Ihre Frage durchglüht ist von Zorn. Wenn Sie etwas Zornmütiges in die geistige Welt hineintragen, so ist es, wie wenn ein vulkanischer Feuerstrom sich hineinergießen würde, und es muß dann von der äußeren seelischen Welt dieser vulkanische Feuerstrom tingiert werden. Das ist etwas anderes, als wenn man beim Einschlafen den Zorn abgedämpft hat.

Es ist vieles von dem, was hier geschildert worden ist, in seinen Wirkungen nicht nur auf das menschliche Gemüt, sondern sogar auf die körperliche und innerliche organische Lebensstimmung zu erkennen, und viele innerliche Krankheitsursachen sind in dem zu suchen, was wir als Antwort bekommen auf die Fragen, die wir unbewußt an die geistige Welt im Einschlafen stellen. Denn unsere physischen und ätherischen Organe, sie müssen im Wachzustande durchaus fertig werden mit dem, was ihnen durch das willensmäßige Ich und durch den gefühlsmäßigen astralischen Leib mit dem Aufwachen aus der geistigen Welt hereingetragen wird.

Die Geist-Gestalt von Ich und Astralleib während des Schlafens

Tatsächlich haben wir in dem, was der Mensch vom Einschlafen bis zum Aufwachen aus sich heraussetzt (Anm.: das Ich und den Astralleib), das Bildhafte von dem, was dann physisch verkörpert im menschlichen Haupte im nächsten Erdenleben zutage tritt. Das ist ein außerordentlich wichtiger Zusammenhang. Und wenn wir darauf zurückblicken, daß es eigentlich die moralische Seelenverfassung ist, welche das Bestimmende für diese Gestaltung, für diese Tingierung abgibt, so werden wir im nächsten Erdenleben die Einkörperung, die Verleiblichung der moralischen Seelenverfassung in den Kräften des menschlichen Hauptes zu suchen haben. Und indem sich dann diese Kräfte des menschlichen Hauptes als unser Denkvermögen, als unser Vorstellungsvermögen ausdrücken, haben wir dieses als die Wirkung unserer moralischen Seelenverfassung von diesem Leben. Das alles aber ist bildhaft vorhanden in dem, was der Mensch beim Einschlafen aus sich heraussetzt.

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